Freitag, kurz nach 14 Uhr auf dem Campus Göppingen oder im Computerraum des Ludwig-Uhland-Gymnasiums Kirchheim: Während andere ins Wochenende verschwinden, strengen 24 Elftklässler*innen des Heinrich‑Heine‑, Schloss‑ und Ludwig‑Uhland‑Gymnasiums noch mal ihre Hirne an. Ein Schuljahr lang trafen sie sich hier zur Schüler‑Ingenieur‑Akademie (SIA) – einem Seminarkurs, bei dem Lernen bedeutet, Pläne zu schmieden, Prototypen zu bauen, Fehler aufzuspüren und es immer wieder besser zu machen. Die Hochschule Esslingen öffnete dafür Labore, 3D‑Drucker und ihr Elektronikparadies.
Aufgaben wie im echten Ingenieurbüro
Gleich zu Beginn landete ein 65‑seitiges Lastenheft auf den Werkbänken: Klopf‑ bzw. Erdbebenerkennung, Belichtungsmesser, autonom fahrende Mini‑Highways und mehr. Jede Projektgruppe bekam identische Fahrplattformen, ein Budget – und ansonsten freie Hand. Vorgefertigte Lösungen gab es nicht; stattdessen galt es, Probleme selbstständig zu zerlegen, zu durchdenken und zu meistern.
High‑Tech mit Lötkolben
Eine Teilgruppe wählte die analoge Variante des Klopferkenners. Unter der fachlichen Begleitung von Herrn Pfaff im Elektroniklabor der Firma AMK entstand eine Schaltung, die feinste Erschütterungen registriert und zwischen Frequenzbändern unterscheiden kann – ein Paradebeispiel dafür, wie Theorie aus dem Physikunterricht im Labor Wirklichkeit wird.
Einkaufschip‑Kanone auf Monstertruck
Das spektakulärste Projekt war eine Einkaufschip‑Kanone (ja, jene runden Kunststoff‑Token für Einkaufswagen), montiert auf einem umgebauten Monstertruck‑Fahrgestell. Was zunächst als „zu abwegig“ galt, überwand skeptische Blicke: Eine pfiffige Konstruktion katapultierte die Chips bis zu zehn Meter weit. Der erfolgreiche Testlauf zeigte eindrucksvoll, wie belastbar kreative Ideen sind, wenn sie konsequent umgesetzt werden.
Was die Schüler*innen dabei lernten
Statt Tutorials zu kopieren, arbeiteten die Teams mit Oszilloskop, Lötkolben und Versionskontrolle. Online‑Kanban‑Boards ersetzten das klassische Hausaufgabenheft, und Präsentationen vor Professor*innen wurden zu echten Meilensteinen: Jede Bauphase endete in einem Kurz‑Pitch – mal Ruhm, mal Spätschicht, aber immer mit greifbarem Fortschritt. Theorie goss sich in Hardware, Mikrocontroller‑Code trieb Motoren und Motivation, und spätestens bei der Fehlersuche lernten alle, dass jede Messkurve eine Geschichte erzählt.
Ein Parcours wird zur Autobahn
Zum Finale am 27. Juni 2025 vernetzten alle Gruppen ihre Projekte: Ein zweispuriger Rundkurs mit Spurwechsel, Hindernissen und – selbstverständlich – der Chipkanone als Streckenposten. Dass jedes Fahrzeug fehlerfrei über die Ziellinie rollte, war das Resultat einiger Freitagnachmittage, minutiöser Zeitpläne und unerschöpflicher Neugier.
Fazit
Die SIA beweist, was passiert, wenn junge Menschen Machen‑dürfen statt Nach‑machen‑müssen: Aus Lehrplänen werden Prototypen, aus Hausaufgaben High‑Fives. Wer hier scheitert, stolpert nach vorn – und landet meist bei einer besseren Idee. Das Klassenzimmer wird zum Entwicklerstudio: Auf dem Tisch lagen Schaltpläne statt Schulbücher, Deadlines hießen „Meilenstein: Test“, und jede gelötete Verbindung machte Physik spürbar. Klopfsensor oder Chipkanone – beides zeigt, was entsteht, wenn man Jugendlichen vertraut und sie einfach machen lässt. Nächstes Jahr wieder? Unbedingt.
Von SIA Schülern (nicht namentlich vermerkt)