Eine kulturell sehr spannende Exkursion stand für die Hebräisch AG Anfang des Schuljahres an. Frau Sedkowska organisierte für uns Ivrit-Lernenden des Heinrich-Heine-Gymnasiums einen Ausflug nach Freudental, wo wir einen Tag lang die jüdische Vergangenheit und deren Spuren in der Region Stuttgart entdecken konnten. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln fuhren wir in der zweiten Schulwoche nach Freudenthal und konnten in Stuttgart noch weitere Schülerinnen des Karls-Gymnasiums in Stuttgart mitnehmen. Angekommen im Pädagogisch-Kulturellen Centrums Ehemalige Synagoge Freudental e.V. (PKC) wurden wir herzlich von Herrn Volz, dem Leiter für Kultur und Pädagogik am PKC empfangen. Nach einer kurzen Vorstellungsrunde der wenigen Anwesenden durften wir unsere Interessen und Erwartungen an den Tag nennen, was großartig war, da das Programm des Tages somit nach unseren Vorstellungen gestaltet wurde.
Tobias Christ, ein Künstler aus Stuttgart, der selbst jüdische Wurzeln hat, begleitete uns als Redner mit durch den Tag. Er erzählte uns vieles über jüdische Feste, jüdische Kultur und die Bedeutung der hebräischen Buchstaben. Durch seine Erklärungen wurde uns bewusst, dass man hinter einem einzelnen hebräischen Buchstaben eine ganze Welt an Bedeutungen entdecken kann. Dies zu erkennen machte die Sprache noch interessanter für uns.
Nach diesen kurzen Eindrücken zum jüdischen Denken durften wir noch etwas Besonderes erleben. Tobias Christ kann flüssig Jiddisch lesen. Jiddisch ist eine aus dem Mittelhochdeutschen hervorgegangene westgermanische Sprache, die auch hebräisch-aramäische, romanische und slawische Komponenten aufweist. Sie war in der Vergangenheit die Sprache vieler Juden - so auch der jüdischen Bevölkerung in Freudental - und ist es z.T. auch heute noch. Wenn man Tobias Christ genau zuhörte, konnte man sogar vieles verstehen, da unser heutiges Hochdeutsch aus dem Mittelhochdeutschen hervorging. Anschließend liefen wir gute 10 Minuten aus dem kleinen Ort Freudental hinaus, um den jüdischen Friedhof zu besuchen. Jüdische Menschen hatten früher ihren eigenen Friedhof und durften nicht mit zum Beispiel Christen auf einem Friedhof beerdigt werden. Es war sehr interessant die Gräber zu betrachten, die zum größten Teil noch mit hebräischen Buchstaben beschrieben sind und schon sehr vermoost sind. Sehr eindrücklich war auch, dass die Gräber nach Frauen, Männern und Kindern geordnet und meistens chronologisch angelegt sind. Der letzte Freudentaler Jude wurde 1970 beigesetzt. Er gehörte zu den wenigen überlebenden Juden, die nach dem Krieg noch in Freudental wohnten. Alle anderen Juden der früher so großen jüdischen Gemeinde in Freudental waren entweder vor dem Krieg ausgewandert oder 1942 in Vernichtungslager deportiert worden. An diese grausame Zeit sollen auch das PKC und der Friedhof erinnern.
Nach den sehr zum Nachdenken animierenden Worten auf dem Friedhof ließen wir uns im PKC verköstigen. Gestärkt schauten wir uns noch eine Ausstellung über Freudental und die jüdische Geschichte um die Zeit des Zweiten Weltkriegs an, die von verschiedenen Schulen erstellt worden war.
Abschließend durften wir unsere bisherige Kenntnis der hebräischen Buchstaben künstlerisch in Form von Kalligrafie anwenden. Tobis Christ zeigte uns, wie wir mit Tusche wunderschöne hebräische Buchstaben schreiben können (wobei man hier schon fast von malen sprechen sollte). Auch Fragen konnten noch geklärt und diskutiert werden, was sehr bereichernd war. Da uns das Buchstabenmalen so viel Spaß machte, beschlossen wir kurzerhand einen Bus später zurück zu nehmen, um noch mehr Zeit für diese tolle Beschäftigung zu haben. Nur ungern legten wir unsere Tuschefedern weg und machten uns wieder auf den Weg zur Schule. Am Ende dieser Exkursion bleibt uns Schüler*innen nur noch übrig, Danke zu sagen an Frau Sedkowska für die großartige Organisation und an Herrn Volz und Herrn Christ für das tolle Programm!

(Hanna Volz, K1)