Am Montag, 17. Juni, war der ehemalige HHG Schüler Andreas Schaal, OECD Direktor für globale Beziehungen und Kooperationen und OECD-Sherpa für G7, G20 und Asia-Pacific Economic Cooperation (APEC), zu Gast an seiner alten Schule, wo er 1989 das Abitur ablegte. In einer informellen Gesprächsrunde mit Schülerinnen und Schülern des Wirtschaftskurses (K2) von Frau Katja Holland-Cunz und der Gemeinschaftskundekurse von Frau Judith Stens (K1 und K2) berichtete der gebürtige Denkendorfer über seine Arbeit und die Ziele der OECD.
Begrüßt wurde Herr Schaal von Schulleiterin Judit Vamosi und von OB Bolay, der es sich nicht nehmen ließ, den hohen Gast persönlich in Ostfildern willkommen zu heißen. OB Bolay freute sich, über das Interesse der Schülerinnen und Schüler und appellierte an sie, sich an Herrn Schaal, der von Jugend an politisch aktiv war, ein Vorbild zu nehmen und sich einzubringen, wie zum Beispiel über die Jugendbeteiligung in Ostfildern, um so an der Gestaltung der Zukunft mitzuwirken.

Wandel ist normal - nichts bleibt, wie es ist

In einem kurzen Rückblick ging Frau Vamosi in ihrer Rede auf einige Veränderungen in den vergangenen 35 Jahre ein, sowohl an der Schule als auch weltweit sowie auf die großen Herausforderungen der heutigen Zeit. Sie betonte, die Welt belohne uns nicht mehr allein für das, was wir wissen – Google wisse ja schon alles –, sondern für das, was wir mit dem, was wir wissen, tun können. Das wirksamste Mittel gegen Vorurteile und für Fortschritt sei es, miteinander ins Gespräch kommen. Und für diesen Dialog brauche man Menschen, die zwischen den Kulturen wandern und die über sie Wissen vermitteln, die auf diese Weise Brücken des Vertrauens bauen. Sie übergab des Wort an Herrn Schaal mit dem Hinweis: „Es braucht Menschen wie Sie, Herr Schaal, und eine Organisation wie die OECD, die mit ihrer Analysekompetenz und als multilaterales Forum maßgeblich zur Entwicklung gemeinsamer Antworten auf globale Herausforderungen beiträgt.“
Herr Schaal griff die Worte seiner Vorredner gerne auf. In der Tat habe sich sehr Vieles seit seiner Zeit als Schülersprecher und seit seinem Abitur politisch verändert, aber Wandel sei normal, entscheidend sei, diesen Wandel zu gestalten. Deshalb appellierte auch er an die jungen Leute: „Bleibt kritisch! Mischt euch ein! Gestaltet mit!“ Das sei gerade in dieser Zeit besonders wichtig, da so Vieles im Umbruch sei.

Die fünf Megatrends der aktuellen Weltpolitik

In seiner Rede fokussierte er sich bei seinem Blick auf die Weltpolitik auf fünf „Mega Trends“, die seiner Meinung nach die nächsten Jahre bestimmen werden. So werde die bi-polare Weltordnung durch eine multi-polare abgelöst, in der die Länder Asiens eine größere Rolle spielen werden. Bereits heute würden 60% der Weltbevölkerung in Asien leben. Außerdem müsse der Dialog der sogenannten westlichen Welt mit dem globalen Süden neu belebt werden, insbesondere mit Afrika, mit seiner besonders rasant wachsenden jungen Bevölkerung. Wie der Ukrainekrieg zeige, sei überdies der Ost-West-Konflikt bei weitem nicht beendet. Megatrend Nummer vier, der Fortschritt im Bereich Künstliche Intelligenz, stelle alle Nationen vor Herausforderungen. Hier seien gerade auch Schulen gefordert. Er pflichtete Frau Vamosi bei, dass Wissen alleine nicht genüge, sondern es nun vor allem darauf ankäme, emotionale Intelligenz, soziale Skills und kreatives Denken zu fördern. So untersucht deshalb die aktuelle OECD Pisastudie insbesondere auch kreatives Denken. Megatrend fünf sei und bleibe, wie die Zukunft für alle und mit allen, auch solchen Ländern, die nicht die westlichen Werte teilen, gerecht gestaltet werden könne.
Schaal warnte dabei vor westlicher Überheblichkeit sowie vor Abschottung. Der Ansatz über „shared interests“, also gemeinsame Interessen, bleibe dabei der Hauptansatz. Gute Erfolge habe die OECD auch mit Best Practice Programmen und der Vermittlung von gegenseitiger Hilfe zwischen Ländern, die erfolgreich bestimmte Maßnahmen umgesetzt haben und ihre Erfahrungen mit anderen teilen.

Erfolge der OECD

Auf die Schülerfrage, was er als seine größten Erfolge bezeichnen würde, verwies er auf die ganz aktuellen Nachrichten, dass auch Länder wie Vietnam und Thailand, neben Brasilien, Indien, Indonesien und anderen inzwischen sich der OECD angeschlossen haben und deren Expertise und Programme als Chance für den eigenen Fortschritt nutzen wollen. Insgesamt 38 Nationen gehören inzwischen zur OECD. Es gäbe viele Fortschritte angefangen von Roamingregeln bis hin zur Erarbeitung von Leitlinien für internationale Unternehmen oder der aktuell versuchten Etablierung einer gemeinsamen Mindeststeuer, die egal wo entrichtete werden soll. Aufgabe der OECD sei es, mit allen im Gespräch zu bleiben und gemeinsame Spielregeln zu entwickeln. Er ist trotz aller eingestandenen Schwierigkeiten weiterhin optimistisch, dass dies gelingen kann. Er sieht durchaus Chancen und betonte, dass auch Europa keine Position der Schwäche einnehme, sondern gebraucht werde.

„Man muss sich wieder anstrengen“

Bei allem Optimismus sieht aber auch er: „Man muss sich wieder anstrengen.“ Man dürfe sich nicht auf dem bisherigen Wohlstand ausruhen, es brauche wieder mehr Dynamik und Arbeitsbereitschaft. Wenn man sehen würde, mit welchem Eifer die jungen Menschen in Asien und im globalen Süden danach streben, ihre Lebenssituation zu verbessern, dann werde deutlich, dass eine Generation, der es vor allem um Work-Life-Balance gehe, schlechte Karten haben wird. „Das wird nicht ohne Wohlstandsverlust gehen“, mahnte er. Speziell auf die Region Stuttgart und ihrer auf die Automobilindustrie zugeschnittenen Wirtschaft sieht er große Veränderungen zukommen. Doch Veränderung bringe immer auch Fortschritt. Diesen mitzugestalten sei auch ihre Aufgabe und Chance, appellierte er an die Schülerinnen und Schüler.
Im Anschluss stellte sich Herr Schaal bei einem kleinen Umtrunk ganz zwanglos noch den Schülerfragen im persönlichen Gespräch. Sie waren allesamt angetan von seiner offenen, lockeren Art: „Er war sogar bereit, uns seine Emailadresse zu geben!“ Aber auch Herr Schaal war sichtlich angetan von den Schülerinnen und Schülern, ihren kritischen Fragen und auch davon, wie viele von ihnen schon sehr konkrete Berufsvorstellungen und Pläne haben. Selbst Vater von zwei Kindern weiß er nur zu gut, wie schwierig diese Lebensphase sein kann und wie wenige wissen, was sie mal machen wollen. Er genoss seinen Besuch am HHG sichtlich, auch die Wiederbegegnung mit einigen ehemaligen Mitschülern und Lehrern, wie Herrn Schuon, Herrn Stoll und vor allem Herrn Willi Fischer, der einst sein Gemeinschafskundelehrer war und sein Interesse an der Politik befördert hat. Bis heute stehen die beiden in regelmäßig in Kontakt. So war es auch Herr Fischer, ehemaliger Abteilungsleiter am HHG, der diesen Besuch eingefädelt hat.

(Petra Enz-Meyer)