Mit einem monotonen Tick-Tack, Tick-Tack beginnen der Arbeitsalltag und das Theaterstück „Die Firma“, das der Abiturientenkurs Literatur und Theater am 23. Januar 2025 im Theater an der Halle in Nellingen aufgeführt hat.
Ein paar Tage im Mai begleitet man zwölf Angestellte, eine Personalchefin und eine Chefin, wobei die beiden letzteren davon überzeugt sind, dass das „Chaos der Feind des Erfolges“ sei und ihnen vermeintlich die Berechtigung erteile, jedweden Individualismus zu unterbinden. Die Angestellten sind einheitlich gekleidet mit schwarzer Hose und weißem Hemd, das selbstverständlich das Firmenlogo DF zeigt, sie sind gleich frisiert mit streng gebundenem Haar, trinken nur Kaffee, den ausschließlich der Praktikant zubereitet, essen in der Mittagspause jeder einen Apfel und schlagen synchron wie Puppen die Beine übereinander. Ganz „natürlich“ schweigen die zwölf Angestellten während der Arbeitszeit, es herrscht konzentrierte und gewinnbringende Ruhe. Auch die Vorzimmerdame tippt wortlos ihre Berichte. Den beiden Vorgesetzten gefällt´s, bis der Zuschauer merkt, dass sie den Druck nach unten weitergeben, der eine Hierarchieebene darüber vom „großen“ Chef auf sie selbst ausgeübt wird. Keine schöne Arbeitswelt ist das, was die Jugendlichen in Szene setzen. In zwei Reihen exakt hintereinander sitzend nehmen sie es als Angestellte stumm und klaglos hin, bis eines Tages mit einer rosafarbenen Tasse die DIN-Norm verletzt wird. Der bunte Beginn einer noch schweigenden Revolution, denn es folgen weiterhin stillschweigend bunte Blazer und offenes Haar, bunte Stifte, Pflanzen, mit Hilfe derer Kontakte im Großraumbüro geknüpft werden. Bald sprechen die Angestellten miteinander, in das spröde Büro kommt im wahrsten Sinne Bewegung, auch weil der Praktikant nicht mehr nur allein an der Kaffeemaschine steht, sondern man sich nun auch Tee trinkend in der Firmenküche trifft. Spannend ist es zu beobachten, wie die jugendlichen Schauspieler aus der einheitlichen Menge an Angestellten nach und nach jedes Individuum herausschälen, mit seinen Vorlieben, familiärer Situation, mit seinem Engagement für das Büro.
Die Angestellten wähnen sich in Sicherheit, denn ein paar Tage gehen weder Personalchefin noch Chefin auf Kontrollgang, solange die Abteilung funktioniert und die Bilanz stimmt. Immer wieder gibt es auf der Bühne kleine Einfälle, die das Stück kurzweilig gestalten und eine andere Arbeitswelt zeigen. Es ist eine Menge an Handgriffen, die die Schülerinnen und Schüler des Kurses koordinieren und spielen müssen.
Dass die neu gewonnene Freiheit nicht lange gut gehen kann, ahnt der Zuschauer, auch wenn die Personalchefin die Chefin überzeugen kann, das Ganze erst einmal auszuprobieren, denn offenbar bleiben die Gewinne hoch und nicht nur das, die motivierten Mitarbeiter erhöhen sogar den Gewinn der Firma. Im Rahmen ihrer neuen Arbeitsabläufe könnte es weitergehen, wenn nicht eine Geburtstagsparty während der Arbeitszeit die fragile Freiheit jäh brechen würde. „Einheitlichkeit und Disziplin“ stehen dem Wohlfühlfaktor schneller entgegen, als die Belegschaft schauen kann. Lautstark und im Überschwang ihrer Ordnungsliebe und Individualismusfeindlichkeit bringen die Personalchefin und die Chefin die „kleinen“ Angestellten zur Räson. Vergeblich versucht die stets an Harmonie interessierte Sekretärin mit Yogaübungen Frieden zu stiften.
Das monotone Tick-Tack übernimmt wieder Regie – solange bis ein Bürodiebstahl es doch zu weit treibt und einen kleinen, nicht weggeräumten Kaktus mitgehen lässt, der in all der Uniformierung und Sprachlosigkeit innerhalb der Gruppe der einzige Ansprechpartner eines Angestellten geworden ist. Der aufgestaute Ärger über die Vorgesetzten, die mit ihrer Regelhaftigkeit und Ordnung wieder alle „auf Linie“ gebracht haben, bricht sich Bahn. Die Bilanz in Gefahr sehend mischen sich die beiden wild diskutierend in die Unruhe der Angestellten ein. Erst mit Hilfe einer Angestellten und der Sekretärin kehrt Ruhe in den aufgewühlten Streit ein und eine konstruktive Diskussion beginnt. Gemeinsam erarbeitet man sich Regeln und Arbeitsbedingungen, mit denen die Mehrheit einverstanden ist. Es könnte so schön sein, zufriedene Angestellte, zufriedene Vorgesetzte. Es bleibt eine Mail an den Big Boss – die überraschend gut klappt. Ein paar Monate später erhält die Abteilung als Wertschätzung von ganz oben einen zusätzlichen Urlaubstag. Kooperation und individuelles Einbringen in die Firma führt zu zufriedeneren Angestellten und höherer Produktivität.
Sollte in der hohen und höchsten Etage auch ein Umdenken eingesetzt haben? Dass Angestellte nicht nur Humankapital (Unwort des Jahres 2004) sind, sondern Menschen?
Der Literatur- und Theaterkurs hat mit diesem vollständig selbst erstellten Stück ein aktuelles Thema aufgegriffen und einige Impulse zum Nachdenken geliefert.
Ein herzlicher Dank geht an den Literatur- und Theaterkurs unter Leitung von Bettina Michel sowie an die Licht- und Tontechnik-AG mit Herrn Zimmermann, welche die Inszenierung akustisch und optisch unterstützt hat.

Nadja Schmidt